Bastian Günther
Es ist das Jahr 2001 und ich bin Filmstudent an der dffb in Berlin. Ich habe gerade meinen Erstjahresfilm fertig geschnitten (4 Schnitte) und denke völlig größenwahnsinnig, dass der 10 Minuten schwarz/weiß Film zu den Hofer Filmtagen muss – irgendwie und unbedingt. Am besten also mal anrufen und die Sache mit einem Assistenten des Festivals klären. Auf der Webseite der Hofer Filmtage finde ich die Telefonnummer des Festival-Büros. Ich wähle und nach drei Freizeichen nimmt am anderen Ende jemand ab. Ein kurzes „magisches“ Wort klingelt in meinem Gehörgang: „Badewitz“. Nach einer kurzen Pause nochmal. „Badewitz … hallo?“ Ich, kalt erwischt, weiß nicht, was ich sagen soll. Der große Maestro himself am Telefon? Ich bin so geschockt, dass ich einfach auflege … Jesus. Was war das denn? Wie kann das sein? Der große Heinz Badewitz geht selbst ans Telefon? Das geht doch gar nicht.
Mit Schnappatmung sitze ich noch ein paar Minuten am Schreibtisch … Wir Filmstudenten hatten ja wirklich nicht viel Ahnung – so insgesamt gesehen. Aber wir alle wussten, wie wichtig die Hofer Filmtage waren und wir alle kannten den Namen Heinz Badewitz. Er war eine Legende für uns junge Filmemacher, noch bevor wir ihn zum ersten Mal getroffen hatten, ein Pate der Jungen und Radikalen – zu denen wir uns natürlich allesamt zählten. Wie konnte es sein, dass er höchstpersönlich ans Telefon geht?
Ich hatte damals folgendes Bild vor Augen: Heinz verschanzt sich alleine in einem dunklen Kino und sichtet 1000 Filme. Danach sitzt er dann auf irgendeiner Terrasse – mit einem Seidenschal um den Hals – und trinkt ein Schlückchen Rosé. Eine graue Eminenz, der man nur Botschaften über Dritte zukommen lassen kann – auf kleine Notizzettel geschrieben oder ins Ohr geflüstert – und er nickt nur, schüttelt den Kopf oder kichert in sich hinein, während er wie der James Bond-Bösewicht „Blofeld“ eine Katze krault. Tja. So kann man sich irren. Heinz war offen, witzig, uneitel und einer der freundlichsten Menschen im deutschen Filmbetrieb. Mit Mut zum Ausgefallenen und Neuen. Und so waren seine Hofer Filmtage auch.
Ein Festival, zu dem man immer wieder im Herbst über die A9 bis nach Hof gefahren kam, um am Tag nach der eigenen Premiere und nach nur drei Stunden Schlaf auf dem Fußballplatz zu stehen – die Betonung liegt hier ganz klar auf „stehen“. Ich begreife bis heute nicht, wie Peter Lohmeyer morgens immer so fit sein konnte. Nächtelang wurde in der Kneipe, in der es immer viel zu eng aber schön war, über Filme diskutiert – unterm Giebeldach, gleich neben einem Plakat mit der Aufschrift „Keine Startbahn West“.
Es ist nur eine kleine Geschichte. Nichts, was man verfilmen könnte oder so. Aber irgendwie ist mir die Sache mit dem Anruf nie aus dem Kopf gegangen. Mich hat sie immer daran erinnert, wie sehr Heinz die Hofer Filmtage war, wie sehr er das Festival verkörpert hat. Und mir ist nie der Gedanke gekommen, dass Heinz irgendwann einmal nicht mehr da sein könnte. Es war ausgemachte Sache, dass man ihn im Februar während des Weinabends in Berlin traf und dann natürlich im Herbst in Hof. Und wenn die Hofer Filmtage heute weitergehen und nächstes Jahr und übernächstes, dann stimmt es ja auch irgendwie.
Bastian Günther