Kleinere Krisen und größere Erfolge
Aber zurück zur Chronologie. »Opas Kino lebt«, meldet die Süddeutsche 1987 aus Hof und rügt die vorgestellten deutschen Filme – darunter HIMMEL ÜBER BERLIN von Wenders, Jan Schüttes DRACHENFUTTER und Percy Adlons OUT OF ROSENHEIM – als »kleinmütig und anpasserisch«.
Im Jahr darauf erhält Laurens Straub, einer der Promoter des jungen deutschen Kinos, den Filmpreis der Stadt Hof und beklagt, dass es nicht gelungen sei, den Film zu emanzipieren von einem »falschen Wettbewerb«, in dem es nur darauf ankomme, wer das Publikum am trefflichsten unterhalte. Der Film, fährt er fort, habe sich immer mehr entfernt von der Teilnahme an dem, »was Leben überhaupt ist«.
Im deutschen Film ist es das Jahr der Frauen. Die zeigen Filme über die Liebe: Pia Frankenberg BRENNENDE BETTEN, Monika Treut (höchst umstritten) DIE JUNGFRAUENMASCHINE, Ute Wieland (umjubelt) IM JAHR DER SCHILDKRÖTE, Helma Sanders-Brahms’ MANÖVER, Vivian Naefe PIZZA-EXPRESS, Bettina Woernle DER EINBRUCH.
1989 finden die Filmtage erstmals in fünf Spielstätten statt. Mit einbezogen wird das Regina-Kino, das 22 Jahre zuvor Schauplatz des kleinen, gerade mal zwei Stunden dauernden Festivalstarts gewesen ist. Das diesmal mehr als sechzig lange und kurze Filme aus elf Ländern umfassende Programm allerdings überzeugt nicht: Die Großstadtpresse rügt einen »flauen« oder sogar »schlechten Jahrgang«.
Beim Festival 1990 ist Hof eine »belagerte« Stadt, Einkaufsziel oft Zehntausender von Ost-Bürgern. Nichtsdestotrotz verzichtet Badewitz auf Beiträge aus der Ex-DDR: »Wir beteiligen uns nicht an der Jagd auf den letzten Schubladenfilm.« Der Film zur Grenzöffnung kommt aus dem Westen. Christoph Schlingensief hat ihm den Titel DAS DEUTSCHE KETTENSÄGENMASSAKER gegeben: Massakriert werden Ossis – von Wessis, die Wurst aus ihnen machen. Den deutschen Film repräsentieren ferner, unter anderen, Praunheim mit AFFENGEIL, Peter Sehr mit DAS SERBISCHE MÄDCHEN und Sönke Wortmann mit EINE WAHNSINNSEHE. Zum internationalen Programm steuern Dennis Hopper THE HOT SPOT und Paul Schrader THE COMFORT OF STRANGERS bei.
1991: 25 Jahre Hof. Hof ist keine Fußballstadt mehr. Der FC Bayern Hof, der 1967 knapp den Aufstieg in die Bundesliga verpasste, hat es wieder einmal nicht geschafft, wenigstens in die höchste Amateurklasse, die Bayernliga, aufzurücken. Als wichtigstes Fußballspiel des Jahres in Hof kann darum das traditionelle Filmtage-Match gelten, bei dem der FC Hofer Filmtage eine 0:5-Schlappe aus dem Vorjahr wettmachen will. Das gelingt nicht: KARNIGGELS-Regisseur Detlev Buck im Tor kann nicht verhindern, dass mit 2:3 auch diese Partie verloren geht.
Aber das Festival ist ein Erfolg. Badewitz: »Die ganze Welt wollte nach Hof.« Und: »Das Programm war so gut wie noch nie.« Allerdings kommt das Beste nicht aus deutschen Landen, sondern aus Kanada (Atom Egoyans THE ADJUSTER), aus den USA (BOYZ ’N THE HOOD), aus England (RIFF-RAFF von Ken Loach), aus Frankreich (DELICATESSEN) und aus Belgien (TOTO L’HERO).
1992 siegt der FC Filmtage, mit 4:2, und der deutsche Film verschafft sich Respekt mit Ralf Huettners DER PAPAGEI, worin Harald Juhnke als redegewandter Luftikus sich für eine Rechtspartei einspannen lässt, mit Niklaus Schillings DEUTSCHFIEBER, mit dem HERZSPRUNG von Helke Misselwitz, der zeigt, wie die wiedervereinigten Deutschen mit einem Fremden umspringen, und mit der VERLORENEN LANDSCHAFT, Andreas Kleinerts Beschreibung einer beispielhaften – und naturgemäß schwierigen – ostdeutschen Kindheit. Von wegen der deutsche Filme nehme nicht teil an dem, was das Leben ist.