Erneute Sinnsuche beim deutschen Film
1993 geht als neuer Hoffnungsträger Tom Tykwer an den Start: Sein Spielfilmdebüt DIE TÖDLICHE MARIA imponiert als eigenwillig komponiertes, wortkarges Kammerspiel. Viel mehr jedoch ist nicht: »Die neuen deutschen Filme«, rüffelt ein Kritiker, »enttäuschten fast durch die Bank.«
Das ist 1994 kaum anders. In kleinen Werkschauen darf man sich freuen über Filme von Tim Burton (BATMAN) und dem neuseeländischen Splatter-Fan Peter Jackson, inzwischen weltberühmt durch DER HERR DER RINGE.
1995: Graf und Rödl haben Krimis fürs Fernsehen gedreht, Schlingensief und Praunheim zeigen dem Publikum mal wieder den Stinkefinger – Deutschland bleibt, so schreibt eine Zeitung, »ein unterentwickeltes Kino-Krisengebiet«.
Was Wunder, dass man sich auf Erfolge von gestern besinnt. 1996 rückt Bernd Eichinger mit zwei »German Classics« an: Den einen Film, DAS MÄDCHEN ROSEMARIE, hat er selbst inszeniert, den andern, DIE HALBSTARKEN, nur produziert. Wichtiger als die Remakes ist die GEFÄHRLICHE FREUNDIN, ein rabenschwarzes Frauenstück von Hermine Huntgeburth. Und registriert wird, dass es in Deutschland wenn schon nicht große Regisseure, so doch wenigstens große Schauspieler gibt – »Gesichter, mit denen man rechnen kann«, »Starkino« sogar.
1997 zeigt Schlingensief unter dem Titel DIE 120 TAGE VON BOTTROP den »letzten neuen deutschen Film«, ein gespenstisches Kasperltheater. Aber es gibt auch, wirklich neu und gut, WINTERSCHLÄFER von Tykwer. Im internationalen Programm begeistern LIVE FLESH von Almodóvar und THE FULL MONTY (GANZ ODER GAR NICHT) von Peter Cattaneo aus Großbritannien.
Im Jahr darauf kommt aus Deutschland wieder nicht – so ein Filmtitel – DAS GELBE VOM EI. Dennoch bescheinigt die Frankfurter Rundschau dem Festival, dass es »unverrückt der wichtigste Schauplatz für den deutschen Nachwuchsfilm« sei. Den Filmpreis der Stadt erhält Tom Tykwer, der inzwischen mit LOLA RENNT auch international auf sich aufmerksam macht. Und aus den USA läuft beim Festival ein wirklich großartiger und berührender Film: HAPPINESS von Todd Solondz.
1999, als Doris Dörrie mit ERLEUCHTUNG GARANTIERT nach Hof zurückkehrt, sind immerhin »kleine Erleuchtungen« zu registrieren – TUVALU und NACHTTANKE etwa, FREMDE FREUNDIN und die makabre Komödie DREI CHINESEN MIT DEM KONTRABASS. Das Programm ist umfangreicher denn je und läuft nun in sechs Spielstätten, denn auch das Scala, Hofs größtes Kino und 1968 Ort der 2. Filmtage, ist nun dabei. Und in den Jahren darauf setzt sich die Erweiterung fort: 2000 durch das Classic, 2001 durch das schmucke 60-Plätze-Haus Club, die beide zum Central-Komplex in der Hofer Altstadt gehören.
Im Jahr 2000 werfen die Filmtage einen Blick in die Zukunft des Kinos, denn drei Filme werden über einen digitalen Projektor gezeigt, den die Herstellerfirma normalerweise für 10.000 Mark am Tag vermietet, dem Festival aber kostenlos zur Verfügung stellt. In den folgenden Jahren nimmt die Zahl der digitalen Kinovorführungen erst allmählich, dann immer rascher zu, bis im Jahr 2013 mitgeteilt wird, nun sei beim Festival, im Rahmen einer Werkschau, die letzte Filmrolle zum Einsatz gekommen: Die Zeit des analogen Kinos ist endgültig vorbei.