Dr. Gisela Strunz

Dr. Gisela Strunz

Ich hatte das Glück, die Anfänge der Internationalen Hofer Filmtage mitzuerleben und deren unglaubliche Erfolgsgeschichte, die untrennbar mit einem Menschen verknüpft war: mit Heinz Badewitz. Als ich 1968 kurz vor dem Abitur die 2. Internationalen Hofer Filmtage, das „kleinste Filmfestival der Welt“, im Regina besuchte, waren sie bereits auf drei Tage verlängert und schon international geworden. Natürlich wollte ich mir mit Freunden alle Filme rund um die Uhr anschauen, und was wir dort zu sehen bekamen, fanden wir sensationell.

Um die großartige Leistung von Heinz Badewitz für den deutschen Film und für uns Hofer zu begreifen, muss man schon ein gutes halbes Jahrhundert zurückblicken können, auf die 60er Jahre, in die bleierne filmische Nachkriegszeit, wo die Filmstars von ehedem noch die Filmstars von heute waren, wo zwischen U- und E-Kultur (minderwertigerer Unterhaltungs- und höherwertiger ernster Kultur) noch strengstens unterschieden wurde und wo man als Bildungsbürger eher nicht ins Kino ging.

Heute, wo sich die Filmfestivals beliebig vermehren und wo alles, aber auch alles gezeigt werden darf, kann man sich die skandalöse, vatermörderische, explosive Wirkung der anfänglichen Hofer Filmtage kaum mehr vorstellen.

Wir Jungen von damals waren restlos begeistert von diesem bis dato noch nie dagewesenen Film-Experiment, das uns der Heinz in Hof bescherte. Fasziniert waren wir von den damals noch jungen, meist unbekannten, aber schon großartigen Filmregisseuren, wie Herzog, Fassbinder, Wenders etc., die später die ganz Großen wurden. Vor allem auch die Form des Festivals war völlig neu und herrlich antiautoritär: Spontis im Kino, keine Filmvorauswahl, natürlich auch keine Zensur, und das Angebot, nach jedem Film mit jedem Regisseur und jedem Schauspieler, soweit verfügbar und so lange wie wir nur wollten, zu diskutieren, zu kritisieren und zu hinterfragen, zu streiten und zu staunen.

Legendär war die lakonische Eröffnung der Filmtage durch Heinz Badewitz. In nie versiegender Experimentierlust bot er eine Plattform vor allem für junge und unbekannte Filmemacher, ein Forum für den jungen deutschen Film. Er war die „Seele des deutschen Films“ – so in einer Hommage in der FAZ – und das merkten wir. Ihm war gelungen, was niemand in Hof für möglich gehalten hätte: ein Aufbruch, nein der (!) Aufbruch in die Moderne – immer mit Freund Rainer Hübsch zuverlässig an seiner Seite.

Da kam der Heinz ohne jede demonstrative Attitüde Jahr für Jahr wieder nach Hof – mit einem verblüffenden, gegen den Strich gebürsteten Slogan „Alle wollen in die Großstadt, wir nicht“. Und das ist dem Hofer Filmfestival gut bekommen:

Der Hofer ist ja an und für sich eher prominentenresistent, wenn auch durchaus wohlwollend. Und so konnten und können sich Filmgrößen völlig unbeschwert und unbelästigt in der Stadt bewegen. Da dreht sich keiner um!

Nach Heinz‘ plötzlichem Tod hatten wir Hofer Filmtagefans schon Angst um unser Filmfestival. Aber das Glück wollte, dass die Hofer Filmtage mit ihrem neuen künstlerischen Leiter, Thorsten Schaumann, einen unglaublich engagierten und kompetenten Festivalchef bekommen haben, der diese Institution in das neue Filmzeitalter führen kann.

Welch‘ hübsche Volte der Geschichte, dass ausgerechnet der Mann mit den Undergroundfilmen und Freund der Bürgerschreck-Filmemacher wie Fassbinder, Vlado Kristl, Rosa von Praunheim oder Achternbusch und vielen anderen später von allen aus Politik, Kultur und Wirtschaft hofiert wurde, der sich aber unbeeindruckt von Rang und Namen von niemandem vereinnahmen ließ. Welche Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der, um den es 1968 noch heftigste Stadtratsdebatten gegeben hatte, später zum Ehrenbürger vom Hofer Stadtrat (dem ich damals angehörte) ernannt wurde. Hat er doch den Namen Hofs wie keiner in die Welt getragen, in die Welt des Films, wo sie ihn weltweit alle gekannt und hochgeschätzt haben. Und er hat diese Welt zu uns nach Hof geholt, er hat Hof zur „Stätte filmischer Heldentaten“ (Florian Gallenberger) gemacht, und ich war staunend von Anfang an dabei!

Dr. Gisela Strunz, seit 1968 als Besucherin dabei
Dr. Gisela Strunz ist Gründungsvorsitzende der „Freunde der Internationalen Hofer Filmtage“ und Vorsitzende der Hermann und Bertl Müller-Stiftung, die den Dokumentarfilmpreis „Granit“ seit 2015 stiftet.