Dr. Gisela Strunz
Als ich als Mitglied des Kulturbeirats gefragt wurde, ob ich mich nicht als Gründungsvorsitzende für den Verein „Freunde der Internationalen Hofer Filmtage“ zur Verfügung stellen möge, sagte ich ohne lange zu überlegen zu. Der neue Trägerverein sollte endlich ein dringend notwendiges Archiv der Internationalen Hofer Filmtage aufbauen und die dafür nötigen Geldmittel beschaffen; denn im Laufe von 37 Filmtagejahren hatte sich eine Unmenge an Text-, Film- und Tondokumenten angesammelt, die zum Teil unzureichend und ohne System gelagert waren. Dieser einmalige historische Materialfundus musste nun gesichert, geordnet, katalogisiert und digitalisiert werden. Keine leichte Aufgabe!
Mit meinen hoch motivierten Vorstandskolleginnen und -kollegen und der fachlichen Unterstützung von Rainer Hübsch und Christine Walther bauten wir in Räumen der Stadtbücherei ein Filmtagearchiv auf, das einen schnellen Zugriff auf gesuchte Dokumente und Filme erlaubte und öffentlich zugänglich sein sollte. Auch einige meiner Studenten der Uni Bayreuth und Praktikanten aus Stuttgart, Erlangen und Hof halfen uns dabei. Die Büro- und Archivräume stellte dankenswerterweise die Stadt Hof.
Dabei entdeckten wir wahre Schätze, die nur darauf warteten, der Öffentlichkeit gezeigt zu werden.
So entstand die Idee, eine Ausstellung der gesamten Geschichte der Filmtage zu konzipieren und von Profis umsetzen zu lassen. Erstmals zeigten wir einige Kostproben in der Stadtbücherei, und nachdem die Resonanz sehr gut war, wagten wir uns mit einer größeren Ausstellung „37 Jahre Festival- und Filmfieber in Hof“ in die Galerie im Theresienstein.
Als sich daraufhin etliche Sponsoren und Förderer bereitfanden, eine satte, sechsstellige Summe für eine große Ausstellung bereitzustellen, begannen wir mit unserem großen Projekt. Die aufwendig gestaltete Filmtageausstellung mit dem Titel „Auch Zwerge haben klein angefangen – 38 Jahre Hofer Filmtage“ konnte nun auf Reisen gehen. Der Titel wurde von einem Spielfilm Werner Herzogs übernommen, der 1970 in Hof uraufgeführt worden war.
Stationen der Ausstellung
… waren: Hof, Berlin, Villeneuve-la-Garenne, Bayreuth, Nürnberg, Rehau, Peking, Seoul, Hof und Los Angeles. Der Reigen begann in Berlin. Denn der FilmFernsehFonds in Bayern hatte die „Freunde der Hofer Filmtage“ eingeladen, die Ausstellung während der Berlinale 2005 in der Bayerischen Landesvertretung in der Hauptstadt zu zeigen. Es wurde ein großer Erfolg: Etliche renommierte RegisseurInnen, SchauspielerInnen und PoduzentInnen ließen es sich nicht nehmen, vorbeizuschauen, um sich in Lebensgröße auf den Schautafeln und in Filmsequenzen wiederzufinden. Die Laudatio hielt Wim Wenders, der die Filmtage als „legendär“ und den Heinz als „Carlo Ponti, aber mit mehr Seele“ rühmte.
Weiter ging es nach Frankreich, in die Hofer Partnerstadt im Norden von Paris, nach Villeneuve-la-Garenne, anschließend auf Einladung des damaligen Regierungspräsidenten Angerer ins Alte Schloss in Bayreuth sowie auf Einladung des Hauses der Bayerischen Geschichte in das Museum für Industriekultur in Nürnberg und danach in die Abteilung der „Rehau-Art“ in Rehau.
Die aufregendste Ausstellung
… fand jedoch 2005 in der Hauptstadt Chinas, in Peking, statt. Hier konnten wir sie auf Einladung des FilmFernsehFonds Bayern im Rahmen der ersten deutschen Filmwoche „Made in Bavaria Peking 2005“ im dortigen Goetheinstitut zeigen. Neben jungen Filmstudenten der Filmakademie Peking erschien zur Eröffnung der Ausstellung sogar der Chef des chinesischen Filmarchivs und erzählte mir in fließendem Deutsch, dass er die Hofer Filmtage und Heinz Badewitz längst kenne, war er doch in den 80er Jahren von Ostberlin nach Hof gefahren, um sich die neuesten Filme anzuschauen. Ein weiterer Überraschungsgast unserer Ausstellung in Peking war der Leiter des Goetheinstituts in Seoul, ein alter Studienfreund aus München, der sich über Jahre mit zahlreichen Goetheinstitutsleitern aus aller Welt bei den Filmtagen für ein Goethe-Filmseminar in Hof getroffen hatte. Zu unserer Freude war er von der Hofer Filmtage-Ausstellung so begeistert, dass er sie sofort im Anschluss auch in „seinem“ Goetheinstitut zeigen wollte. Und so gelangte sie nach Südkorea und wieder per Schiff heim nach Hof.
Jahre später nahm der Heinz die Ausstellung mit nach Los Angeles, wo sie blieb und nicht mehr an ihren Ursprungsort zurückkehrte. In die Jahre gekommen, wäre sie nach so vielen und weiten Reisen wahrscheinlich recht ramponiert und technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand gewesen.
Umso mehr freue ich mich, dass nun eine zweite Filmtageausstellung entstanden ist.
Ein Preis für den besten Dokumentarfilm
Längst hatte ich nach den turbulenten Aufbaujahren des Filmtagearchivs den Vorsitz der „Freunde der Hofer Filmtage“ abgegeben, da bekam ich es wieder mit den Filmtagen zu tun. Heinz Badewitz bat mich 2015 in meiner Eigenschaft als Vorsitzende der Hermann und Bertl Müller-Stiftung, einen Preis für die Filmtage zu stiften.
Es sollte ein Dokumentarfilmpreis sein, weil das Hofer Filmfestival auch für Dokumentarfilmemacher und -macherinnen attraktiv sein sollte. Auch fände zur gleichen Zeit wie die Hofer Filmtage die DOK Leipzig statt, die bereits attraktive Preise vergebe und damit erhebliche Konkurrenz mache. Also stiftet die Müller-Stiftung seit 2015 jährlich einen Dokumentarfilmpreis in Höhe von 10.000 Euro für den besten Doku-Film und eine hochkarätige Jury. Der Namen war rasch gefunden: „Granit – Hofer Dokumentarfilmpreis“ der Hermann und Bertl Müller-Stiftung.
Dr. Gisela Strunz als Vorsitzende der Hermann und Bertl Müller-Stiftung mit der Granitpreis-Jury 2018.
Vorne von links: Dr. Gisela Strunz, Produzentin Nicole Leykauf, Regisseur Wolfgang Ettlich, hinten Regisseur Heiner Stadler.
Hart wie Granit
Der Name „Granit“ entstand aus der Überlegung heraus, dass DokumentarfilmerInnen oft großen Belastungen ausgesetzt sind, aufwendige Recherche- und Vorbereitungszeiten haben, oft lange auf die richtige Einstellung warten müssen und leicht in Gefahrensituationen kommen, sie kurz gesagt „hart wie Granit“ sein müssen. Zudem ist Granit eine typische Gesteinsart der Region rund um Hof.
Es lag daher nahe, dass der Preis aus Fichtelgebirgsgranit sein sollte. Geschaffen wurde eine Skulptur von dem ägyptischen Bildhauer und Dozenten an der Universität Alexandria, Mohamed Naguib. Er war zufällig zu dieser Zeit Stipendiat am Europäischen Fortbildungszentrum für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk in Wunsiedel und schuf im Auftrag der Müller-Stiftung eine Granitbüste, die die Griechin Hypatia darstellt und als Prototyp für alle folgenden Preise dient. Hypatia war die letzte Philosophin in Alexandria im frühen Christentum, die für ihre Überzeugungen von religiösen Fanatikern grausam ermordet wurde und damit – so Naguib – als Figur ideal die mitunter schwierigen Umstände darstelle, unter denen Dokumentarfilme entstünden.
Auch 2021 wird der Dokumentarfilmpreis “Granit“ trotz der Pandemie wieder vergeben, und wir freuen uns, wenn sich viele DokumentarfilmerInnen wie auch in den vergangenen Jahren mit ausgezeichneten Filmen um ihn bewerben.
Die Hermann-und-Bertl-Müller-Stiftung wurde 1995 von Bertl Müller zum Gedenken an ihren Ehemann, den Textilunternehmer Hermann Müller und aus Dank an die Stadt Hof gegründet, mit dem Ziel, vor allem Kultur, Kunst und Denkmalspflege in Hof zu fördern.
Dr. Gisela Strunz, seit 1968 als Besucherin dabei
Dr. Gisela Strunz ist Gründungsvorsitzende der „Freunde der Internationalen Hofer Filmtage“ und Vorsitzende der Hermann und Bertl Müller-Stiftung, die den Dokumentarfilmpreis „Granit“ seit 2015 stiftet.