Rainer Mesch

Rainer Mesch

Es war im Jahr 1977, als ich zum ersten Mal mit den Hofer Filmtagen in Kontakt kam. Eine Studienkollegin aus Nürnberg hatte erzählt, dass sie mit ihrem Freund am Wochenende mal hinfahren wollte. „Gute Idee, da geh ich mit“, habe ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn so gedacht, aber mehr leider auch nicht. Irgendwie wird man da schon übernachten können, notfalls im Auto. Die Kollegin und ihr Freund hatten besser vorgesorgt und sich im Hotel „Strauß“ einquartiert. Tagsüber waren wir Filmtage-Novizen völlig vom Filmangebot absorbiert, so gegen 23 Uhr lief dann Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD.

Der wirkliche Horror begann aber erst danach, als ich es mir in meinem R 4 zum Schlafen bequem machen wollte. Da musste ich nämlich feststellen, dass es in Hof nicht nur unheimlich „neblig“ sein konnte (das lag zum Teil am „Katzendreck“ eines damals noch betriebenen Kraftwerks im nahen Tschechien), sondern auch schweinekalt. Als ich in Nürnberg losgefahren war, hatte ich gefühlt mediterranes Klima und wusste noch nicht, dass der Spruch „Hof – in Bayern ganz oben!“ im Grunde eine Drohung war und sich auf Minusgrade bezog. Beiläufig erwähnte die Kollegin, dass in ihrem Hotelzimmer fast kein Platz sei, da dort ein Kinderbett untergebracht sei. „Ein Kinderbett ???“

Nach kurzer Überlegung war mir klar, dass steife Knochen bekommen immer noch besser ist als der herannahende Kältetod und so schlich ich mich den beiden hinterher ins Hotel. Das Bett war nur ca. 1,50 m lang, hatte aber glücklicherweise kein Gitter. Im Traum haben mich dann die „living deads“ heimgesucht, aber ich war gerettet. So habe ich übrigens auch die zweite Nacht verbracht. Am Morgen haben mir die Freunde sogar Reste ihres Frühstücks ins Zimmer geschmuggelt. Erst Jahre später habe ich dann erfahren, dass ich wohl in der nobelsten Unterkunft von Hof Kind sein durfte.

Nachtrag eins

Die Filmtage haben mich nicht losgelassen, ich bin immer wieder gekommen. Nur einmal ist mir ein wichtiger China-Urlaub dazwischen gekommen, sonst war ich jedes Jahr dabei. Auch beim „Corona-Geisterfestival“ im Jahre 2020 war ich „real“ präsent, also insgesamt 43 Mal.

Meine Unterkunfts-Situation hat sich nach und nach verbessert. In den nächsten Jahren war ich bei einer Studienkollegin in der Einöde nahe der tschechischen Grenze (auch nicht wärmer), in der Wohnung eines Studienkollegen Am Eisweiher (Nomen est omen) und in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Hotel Garni am Bahnhof. Anfang der 80er Jahre hatte ich großes Glück und wurde von der Studienkollegin an eine befreundete Familie „vermittelt“, die in der Stadt wohnte. Die beiden Eheleute haben sich zwar nach einigen Jahren getrennt aber mit dem Mann und seiner neuen Partnerin verbindet mich seither eine langjährige Freundschaft. Und die beiden Kinder kennen mich nun schon seit über einem Vierteljahrhundert. Es mag keinen verwundern, wenn ich behaupte, dass alle seit Jahren einer speziellen Hofer Krankheit anheimgefallen sind: dem Filmtagefieber.

Nachtrag zwei

Nachdem ich einmal das Filmtage-Virus in mich aufgenommen hatte, bin ich es nicht mehr losgeworden. Spätfolgen sind bei einer solchen schlimmen Erkrankung nicht ausgeschlossen. Zunächst habe ich die Entzugs-Symptome mit anderen Filmtagen zu bekämpfen versucht. Ich war viele Jahre parallel bei den Grenzland-Filmtagen in Selb und bin später auch noch beim Filmfest München und den Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken fremdgegangen.

Das half alles nichts. Als das Selber Festival nach der Grenzöffnung an Attraktivität verlor, habe ich bei einem alternativ ausgerichteten Kino in der Nachbarstadt ehrenamtlich angeheuert und das Programm und die Ankündigungen mitgestaltet. In Hof konnte man Regisseure und Schauspieler einfach so ansprechen und dazu gewinnen, sie als Gast und Interviewpartner in unser Mini-Kino in die Kleeblattstadt einzuladen. Das war klasse.

Inzwischen bin ich für ein Filmkunsttheater in der Frankenmetropole tätig und leite dort eine kleine Seminarreihe, welche für Filminteressierte unterhaltsame und lehrreiche Nachmittage anbietet. Wenn es um deutsche Filme geht, gestalte ich diese auch gerne selbst. Vor einem Jahr habe ich mein Virus gefragt, ob es nun endgültig das bekommen hat, was es wollte. Die Antwort war erwartungsgemäß „nein“.

Also habe ich ein kleines, aber feines regionales Festival in Unterfranken angefragt, ob man denn noch eine helfende Hand gebrauchen könne. Dem war so und Anfang 2021 gingen die ersten Filmtage über die Bühne, bei denen ich organisatorisch mitgewirkt und erstmals „die Seiten gewechselt“ habe. Ich bin inzwischen in Rente, aber mein Virus akzeptiert das nicht. Ich bin mit ihm noch am Verhandeln, ob es vielleicht nach 50 Jahren Hofer Filmtage Ruhe gibt, aber ehrlich, ich glaube, ich habe da keine großen Chancen.

Rainer Mesch, seit 1978 dabei
Rainer Mesch kommt aus Schwaig bei Nürnberg.